Dienstag, 11. März 2014

Hazara könnten eine Schlüsselrolle bei den afghanischen Wahlen spielen


Karzai lockt lange Zeit unterdrückte Minderheit

Übersetzt aus dem Englischen von Ahmad Scherzad
Original: Pamela Constable "Long-Opressed Hazara Minority May Play Key Role in Afghan Elections" Washington Post Foreign Service July 2009

Stolze Wählerinnen
Kabul, Afghanistan, 25. Juli – Über Generationen besetzten Afghanistans ethnische Minderheit, die Hazara, die ärmlichste Nische im komplexen afghanischen Völkermosaik. Das politische Machtgefüge wurde von den großen paschtunischen Stämmen im Süden und von den etwas weniger zahlreichen Tajiks im Norden dominiert.

Im Laufe einiger geschichtlicher Epochen wurden die schiitischen Hazara von ihren Ländereien vertrieben und in Kämpfen von ethnischer und religiöser „Säuberung“ abgeschlachtet. In der jüngeren Vergangenheit waren sie oft gezwungen niedere Tätigkeiten als Karrenzieher oder als Hausdiener auszuüben. Der missbrauchte Junge aus dem Roman und dem gleichnamigen Film „Drachenläufer“, welcher hierzulande reichlich Diskussionen auslöste, stammt aus einer Familie von Hazara Dienern.
Ein Hazara mit seinen Enkeln

Aber heute sind die Hazara bereit, eine entscheidende Rolle bei den am 20. August stattfindenden Prä-sidentschafts- und Landtagswahlen zu spielen. Dieses Volk hat einen populären Prä-sidentschaftskandidaten hervorgebracht, den parteilosen Ramazan Bashardost, welcher ein ziemlich aussichtsloser Kandidat ist, aber das Land unermüdlich bereist hatte, um seine Botschaft einer Regierungsreform und sozialer Gerechtigkeit zu verbreiten.

Hamid Karzai: Der eingefärbte Finger soll Manipulationen eindämmen
Unterdessen umwerben Präsident Hamid Karzai, ein ethnischer Paschtun, der seine Wiederwahl anstrebt und seine aussichtsreicheren Herausforderer den Hazara Wähler. Das Volk macht mehr als 20 % der Wählerschaft des Landes aus und konnte  eine hohe Zahl an Wählerregistrierungen und Wahlbeteiligung bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Jahre 2004 verzeichnen.

Eine bessere Zukunft wählen
„Wir sind zu Königsmachern geworden.“ sagte Mohammed Mohaqeq, ein Anführer der Hauptpartei der Hazara, Wahdat-e-Islami, welcher Karzai Unterstützung versprach, sollte dieser im Gegenzug dafür sorgen, dass den Hazara Kontrolle über einige Ministerien und möglicherweise über eine neu gebildete Provinz zugesprochen wird. „Ich kann nicht gewählt werden, weil mich meine paschtunischen Brüder wohl nicht unterstützen würden, aber unsere Leute können den großen Unterschied machen, in der Entscheidung über den Sieger.“ sagte er.

Mohaqeq hatte in verschiedenen Provinzen für Hamid Karzai Wahlkampf
Mohamed Mohaqeq: Anführer der Partei Wahdat-e-Eslami
geführt, welcher im Vorfeld der Wahlen in der Öffentlichkeit größtenteils unsichtbar blieb. Mohaqeqs Partei hat eine Armee aus Wahlkampfhelfern aufgebaut und schaffte es 14 Ausgewählte auf die Kandidatenlisten für das Oberhaus des Parlaments und für den Landtag zu setzen. Zu diesen Kandidaten gehört auch ein junger Mann, dessen Poster einen alten, mit Gütern beladenen Hazara Karren verzieren.


Vize-Präsident Karim Khalili

Karzai, dessen zweiter Vize-Präsidentschaftskandidat ein Hazara ist, bemühte sich im März, konservative Hazara Anführer zu besänftigen, indem er ein umstrittenes schiitisches Familien-Gesetz genehmigte. 
Dies empörte Menschenrechts-organisationen, da dieses die Hazara Frauen unter die absolute Kontrolle und zur Unterwerfung durch ihre Väter und Ehemänner brachte.

Dennoch hat die politische Emanzipation von Afghanistans Hazara, deren Kinder in Scharen zu den Universitäten und Bürojobs strömen, eine politische Kluft gebildet in einer Gesellschaft, welche lange Zeit im Gleichschritt hinter der Volksmiliz oder religiösen Anführen wie Mohaqeq um des Überlebens willen hinterher marschierte.

Das afghanische Parlament
Viele ältere oder weniger gebildete Hazara bekennen immer noch starke Loyalität zu solchen Anführern und sagen, dass sie vorhaben deren politischen Anweisungen am Wahltag zu befolgen. Aber viele andere, darunter Studenten und ehemalige Flüchtlinge, welche nach Jahren im Iran zurückgekehrt sind, sagten, sie würden ihre politische Unabhängigkeit wertschätzen.

„Ich bin Hazara, aber wir haben nun Rechte und niemand kann mir diktieren, wie ich zu wählen habe!“ sagte Farahmuz, 33, ein Arbeiter, der jeden Morgen gemeinsam mit Dutzenden anderen Männern an einem Verkehrskreisel wartet, in der Hoffnung ein paar Stunden Arbeit zu ergattern.“Ich will nicht, dass ethnische Probleme in diese Wahlen einfließen, weil sie das Land erneut zerstören könnten.“ sagte er.

Präsidentschaftskandidat Ramazan Bashardost
Viele Hazara sagen, dass deren Favorit für den Amt des Präsidenten der 44-jährige Bashardost ist, ein reformistischer Abgeordneter und früherer Minister für Bauwesen und Städtebau, dessen Büro sich in einem Zelt, gegenüber der Straße des Parlaments, befindet. Er führte seinen Wahlkampf meistens auf die gleiche Art und Weise, indem er oft die, von der Regierung bereitgestellten, Flugzeuge bestieg, um weit entfernt gelegene Provinzen erreichen zu können und um dort in Parks und auf Marktplätzen mit den Leuten in Kontakt zu kommen.

Ramazan Bashardost: Mann des Volkes
„Ich mag Herrn Bashardost, weil er unsere Probleme versteht.“ sagte Jawad, 25, ein  Bewohner aus Kabul, welcher im Exil in Iran aufwuchs und nun seine ältlichen Eltern als Bauarbeiter unterstützt. „Er führt seinen Wahlkampf nicht in Luxusautos, wie die anderen. Er kam zu Fuß zum Shar-i-Nau Park und saß da in einem Zelt und hörte den Leuten zu.“

Bei einem Anruf auf sein Mobiltelefon, samstags in einer lärmenden Einkaufshalle in Khost, sagte Bashardost, er hätte „eine große Kluft zwischen den gewöhnlichen Menschen und den Politikern in Kabul“ erfahren müssen, „Ich bin sicher, dass wir am 20. August, Zeuge einer Revolution sein werden.“ Außerdem sagte er, er hätte erstaunlich viel Unterstützung von Paschtunen, sowohl aus Afghanistan, als auch aus dem Ausland erhalten. „Das ist etwas ganz neues für Afghanistan.“ sagte er.

Hazara Schüler in Bamian
Als eine ethnische Minderheit, welche lange Zeit wirtschaftliche Ausbeutung und soziale Unterdrückung erfahren musste, scheinen besonders die Hazara einen Vorteil von der politischen Freiheit zu ziehen, welche seit dem Fall der extremistischen Taliban Herrschaft Ende 2001 geboten ist.

In einem neuen, privaten schiitischen College in Kabul sagen Lehrer und Schüler, dass die Wahlen, unabhängig davon wer gewinnt, wichtig für ihre Gesellschaft seien, weil sie einen Schritt in Richtung moderner, demokratischer Methoden darstellen, welches helfen kann afghanische Traditionen von ethnischem Konkurrenzkampf zu beseitigen.

„Wir müssen die Werte und Methoden der Demokratie weiterentwickeln.“ sagte Amin Ahmadi, der Direktor des Colleges, „Leider spielen ethnische Probleme immer noch eine große Rolle in unserem Land und die Menschen vertrauen den Anführern der anderen ethnischen Gruppen nicht. Aber wenn wir faire, transparente und friedliche Wahlen haben können, wird das von größerer Bedeutung sein, als die Frage, ob wir einen guten oder einen schlechten Präsidenten haben.“
Wahlplakate in Kabul

In West Kabul, dem 
heruntergekommenen aber geschäftigem Herz der Hauptstadt der Hazara Gesellschaft, ist jede öffentliche Fläche mit Wahlkampf-Postern tapeziert.
Dennoch sagen viele Karrenzieher, Mechaniker und andere Arbeiter, dass sie die Nase voll haben von staatlicher, als auch von ethnischer Politik. Sie sagen, dass ihre Gesellschaft unter weit verbreiteter Arbeitslosigkeit und Armut leidet, dass aber niemand von der Regierung etwas getan hätte, um zu helfen.

„Wir sind nicht zufrieden mit unserer Regierung und wir sind nicht zufrieden mit unseren Anführern.“ sagt Imam Ali Rahmat, 61, der Feuerholz verkauft. „Für die bestehen wir doch nur aus Dreck und Staub . Für uns bestehen die nur aus falschen Versprechungen. Wir brauchen Veränderungen und wir brauchen neue Anführer, weil wir vom Weg abgekommen sind.“

Original abrufbar unter: http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/07/25/AR2009072502169.html